Ethereum – Bitcoins Kronprinz
Konkurrenz belebt das Geschäft
Wie das im Leben immer so ist: Wenn man Erfolg hat, kommt jemand und sägt an seinem Stuhl. Darf ich vorstellen: Ethereum! Was 2013 mit einem Whitepaper von Vitalik Buterin begann, erblickte im Sommer 2015 auch real das Licht der Welt.
Ethereum ist wie Bitcoin, nur halt irgendwie ganz anders! Eines ist klar: Mit Ethereum lassen sich ebenfalls virtuelle Münzen von A nach B überweisen.
Ethereum wäre aber kein guter Vertreter der 2. Generation von Kryptowährungen, wenn er nicht nach Höherem als der Bitcoin streben würde. Der vorherige Satz ist allerdings nicht ganz korrekt, da es sich bei Ethereum um die Plattform, also die Blockchain handelt. Die Währung Ethereums heißt Ether und wird sozusagen als Treibstoff für die Ethereum-Blockchain verwendet.
Schlaue Verträge
Während Bitcoin als reines Zahlungssystem konzipiert worden ist, ermöglicht Ethereum revolutionäre Smart Contracts. Dabei handelt es sich – wie der Name es vermuten lässt – um intelligente Verträge, die bei Erfüllung vordefinierter Bedingungen ausgeführt werden. Zuerst wird ein bestimmter Betrag mittels Ether an einen Smart Contract überwiesen. Dieser besitzt analog zu dem Ethereum-Benutzer eine Wallet-Adresse, so dass eine Transaktion vom Benutzer zum Smart Contract möglich ist. Und wo steht geschrieben, dass Smart Contracts kein Ether an andere Smart Contracts senden dürfen?
Smart Contracts funktionieren nach einer Wenn-Dann-Logik: Wenn Betrag X in Ether empfangen wurde, dann tue dies und das. Man stelle sich eine digitalisierte Welt vor, in der beispielsweise das Grundbuch für Immobilien vollständig durch die Blockchain abgebildet wird. Eigentümer eines Hauses ist also derjenige, mit dessen Wallet das Haus verknüpft ist.
Ein Smart Contract stellt bei Eingang einer Ether-Transaktion fest, dass Person K (Käufer) den vorprogrammierten Kaufpreis für das Haus in korrekter Höhe überwiesen hat und übertragt im gleichen Moment das Eigentumsrecht am Haus an K. Weiterhin wird der Kaufpreis in Ether an Person V (Verkäufer) weitergeleitet, die in diesem Moment ihr Eigentumsrecht am Haus verliert. Ihre Wallet ist anschließend nicht mehr damit verknüpft.
Dezentrale Anwendungen
Währungstransfers sind also nichts anderes als simple Smart Contracts: Ziehe Betrag X von Wallet A ab und schreibe den gleichen Betrag der Wallet von Person B gut. Die komplexe Variante von Smart Contracts sind hingegen dezentrale Anwendungen (DApps). Das sind Programme, die auf allen Knoten der Ethereum-Blockchain parallel ausgeführt werden und obendrein noch eine grafische Benutzeroberfläche zur Steuerung bieten. Wegen der parallelen Ausführung auf allen Knoten weltweit, spricht man bei Ethereum von einem Weltcomputer.
Zwar ist die Ethereum-Blockchain spürbar langsamer als ein herkömmlicher zentraler Server, bietet aber gleichermaßen viele Vorteile wie die Sicherheit gegen Manipulation, Fehlertoleranz und Hochverfügbarkeit. Die Programmiersprache Solidity dient zur Erstellung von Smart Contracts und dezentralen Anwendungen. Sie ist zwar ausgesprochen mächtig, lässt sich aber nicht wirklich intuitiv verwenden. Das ist ein klarer Nachteil gegenüber anderen Smart Contract-Plattformen mit Hochsprachen wie Java oder C. Interessierte können übrigens sehr einfach Solidity über das Spiel CryptoZombies erlernen.
Klingende Kryptomünzen
Aktuell befinden sich etwa 96 Millionen Ether im Umlauf, was fast dem Fünffachen des Bitcoins entspricht. Ursprünglich waren es 100 Millionen. Durch einen Hackerangriff auf einen fehlerhaften Smart Contract wurden im Jahr 2016 ungefähr 3,5 Millionen Ether unbrauchbar. Um den Angriff rückgängig zu machen, entschlossen sich die Macher von Ethereum zu einer Trennung der Blockchain, was im Englischen als (Hard) Fork bezeichnet wird. So entstand mit Ethereum Classic (ETC) eine weitere Blockchain.
Der Platzhirsch im direkten Vergleich ist noch immer Ethereum. Mit 15 Transaktionen pro Sekunde kann es zwar doppelt so viele Aufgaben wie Bitcoin verarbeiten, aber im Vergleich zu Paypal und Visa ist das sicherlich nicht ausreichend, um sich dauerhaft als ernsthaftes alternatives Zahlungsmittel zu etablieren. Ethereum versteht sich selbst sowieso mehr als Plattform für Smart Contracts und dezentrale Anwendungen.
Technische Details
Neue Blöcke werden bei Ethereum durch den ressourcenhungrigen Proof-of-Work-Konsensus generiert, der aktuell etwa alle 10-12 Sekunden einen neuen Block einfügt. Ethereum befindet sich trotz seines fortgeschrittenen Alters von 3 Jahren noch in einer Entwicklung, die in der Serenity-Phase einen Umstieg auf das moderne Proof-of-Stake-Konsensusverfahren mit sich bringen wird. Proof-of-Stake ist wesentlich ökologischer, da hierbei das Recht zum Erzeugen neuer Blöcke unter Berücksichtigung des Besitzes von Ether vergeben wird.
Je mehr Ether ein Miner besitzt, desto höher die Wahrscheinlichkeit. Dennoch versprechen die Entwickler hoch und heilig, dass auch die Miner mit wenig Ether eine faire Chance auf neue Blöcke mit entsprechender Belohnung erhalten sollen. Nachteilig auf mögliche Miner könnte sich das erstmalige Herunterladen der gesamten Blockchain auswirken, deren aktuelle Größe hier nachgeschaut werden kann. Eine Film-DVD mit zwei Speicherschichten kommt auf 8,5 Gigabyte. Und die Blockchain wächst unaufhörlich weiter …
Bis ein Miner einsatzbereit ist, dauert die Verarbeitung der Blockchain unter Umständen mehrere Tage. Benutzer ohne Mining-Ambitionen können sich jedoch alternativ für einen Light Client entscheiden. Dieser greift auf Knoten der Blockchain zu, die die komplette Blockchain besitzen. Dementsprechend müssen Light Clients keine oder nur sehr wenige Daten herunterladen und verarbeiten. Das geht in der Regel schnell und dürfte für den durchschnittlichen Krypto-Enthusiasten die richtige Wahl darstellen.
Keine Geheimniskrämerei
Genau wie bei Bitcoin sind die Transaktionen und Blöcke auf der Blockchain bei Ethereum selbst nicht verschlüsselt. Jeder kann daher von jedem alle Transaktionen einsehen. Und das rückwirkend und unveränderlich bis zu Block 0, dem Genesis-Block anno 2015.
Hilfreich sind hierfür Webseiten wie Etherscan, bei denen man schlichtweg eine Wallet-Adresse oder eine Transaktions-Identifikationsnummer eingeben muss und im Anschluss alle Transaktionen mit unmittelbarem Zusammenhang erhält. Probieren Sie es gerne aus, z.B. mit folgender Wallet-Adresse: 0x0596aA8A024c72aF81421A57E30fd1A70ECAD943.
Teamfähige Token
Ein weiterer Vorteil der Ethereum-Plattform ist ihre Interoperabilität mit bzw. für andere Token. Als Token werden alle Kryptowährungen bezeichnet, die als Gast auf fremden Plattformen betrieben werden. Durch den ERC20-Standard können Entwickler ohne großen Aufwand eigene Währungen kreieren, die dann auf der Ethereum-Plattform gehandelt und getauscht werden können.
Um eigene Projekte zu finanzieren, wird zu Beginn meist ein Initial Coin Offering ausgerufen. Bei diesem ICO können Interessierte Münzen dieses Projektes zu vergünstigten Preisen erwerben. Viele Projekte konzentrieren sich auf die Lösung eines spezifischen Problems. Dentacoin will zum Beispiel Zahlungen im Kontext von Zahnarztpraxen und Dentallaboren vereinfachen.
Der König der ERC20-Token dürfte jedoch EOS sein, das bei seinem ICO im Sommer 2017 erstaunliche 150 Millionen Euro einsammelte. EOS will zukünftig zum Vorreiter für dezentrale Anwendungen und Smart Contracts werden und wird in Kürze die Ethereum-Plattform verlassen und auf eine eigene Blockchain migrieren.
Es muss jedoch offen angesprochen werden, dass ICOs vorbildlich als Betrugsmasche einsetzbar sind. Betrüger beschreiben ein fiktives Projekt mit interessantem Anwendungsfall und lassen sich anschließend von ambitionierten Investoren per ICO finanzieren. Das Projekt existiert nicht und sobald ausreichend Kapital gesammelt worden ist, verschwinden die Kriminellen ins Ausland. Daher werden ICOs zunehmend von regulierten Security Token Offerings (STO) abgelöst.
Ein Blick in die Glaskugel
Zum Abschluss dieses Artikels erfolgt noch eine kurze Betrachtung der Ether-Preisentwicklung. Seit seiner Veröffentlichung im Sommer 2015 bewegte sich der Ether-Preis zwischen 0 und 10 Euro, bis er Mitte Februar 2017 langsam aber stetig zu steigen begann. Das Allzeithoch erreichte Ether im Januar 2018, als er mit fast 1.200 Euro das 530-fache seines Ausgabepreises erzielte.
Nach einem beachtlichen Marktcrash zwischen Mitte Januar und Ende März 2018 stand der Ether im Sommer 2018 bei 370 Euro pro digitaler Münze. Der aktuelle Kurs kann auf Coingecko überprüft werden. Da in den nächsten Monaten mit einer Erholung des Kryptomarktes zu rechnen ist, dürfte er sein Allzeithoch bald erneut anstreben oder dieses sogar deutlich übertreffen.
Kryptowährungen der 3. Generation wie Cardano (ADA) oder Tron (TRX) lassen sich auf Binance übrigens bequem gegen Ether (ETH) eintauschen.
Dieser Artikel ist auch in einer angepassten Version auf Chip.de und Focus.de erschienen.