Tron – Made in China
Science-Fiction and the Sun
Tron kennen vermutlich viele Menschen durch die beiden Science-Fiction-Filme, bei denen in Teil 1 der Entwickler Kevin Flynn in ein Computersystem eingesaugt wird, um das bösartige MCP-Programm zur Strecke zu bringen. Weniger auf Konflikt ausgerichtet präsentiert sich das Tron-Projekt von Justin Sun.
Justin Sun ist auch der Gründer und Geschäftsführer von Peiwo, der chinesischen Variante von Snapchat. Darüber hinaus wird er auf der Forbes-Liste der 30 wichtigsten Persönlichkeiten unter 30 Jahren in Asien geführt. Ihm wird weiterhin eine enge Freundschaft mit Jack Ma nachgesagt, der mit Alibaba das chinesische Amazon gründete und von dessen Privathochschule Hupan University Sun erst vor Kurzem graduierte.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass eine offizielle Partnerschaft zwischen Tron und Alibaba in der Krypto-Community herbeigesehnt wird, die den projekteigenen Tronix-Coin to the moon befördert – ein Szeneausdruck für rapide zunehmende Kursgewinne. Der aktuelle Kurs kann unter anderem auf Coingecko nachgeschaut werden.
Ein Projekt, sie zu knechten
Eine Stärke von Tron ist das exzessive Marketing, insbesondere durch die Aktivität von Justin Sun auf Twitter. Die stetige Verkündung neuer Partnerschaften mit (chinesischen) Unternehmen sorgt dort in schöner Regelmäßigkeit für Euphorie in der Tron-Community. Gleichermaßen gilt dies für Aufnahmen bei namhaften Kryptobörsen wie Binance, bei denen man zum Beispiel Ether (ETH) in Tronix (TRX) tauschen kann.
Auf der anderen Seite erscheinen die Geheimniskrämerei und Trons vage Aussagen zu der aktuellen Projektentwicklung für die westliche Erwartungshaltung verdächtig. Dies wird durch die weiterhin bestehenden Plagiatsvorwürfe für Trons Whitepaper bestätigt, das die Projektidee und erste technische Details beschreibt.
Vitalik Buterin, der Gründer und Entwickler von Ethereum, hat auf Justin Suns Tweet über sieben Vorteile von Tron gegenüber Ethereum süffisant geantwortet: „8. Vorteil: Ein Whitepaper mit Copy / Paste schreiben ist viel effizienter als Gehirnschmalz zu investieren“. Ein Schelm übrigens, wer bei dem Namen Just-in Sun Böses denkt! Tatsächlich heißt Justin nämlich YuChen.
Ein Küken verlässt das Nest
Tron war ein klassisches ERC20-Token und lief bis zum 31. Mai 2018 auf der Ethereum-Blockchain. Seit der Veröffentlichung des Mainnets an besagtem Donnerstag verfügt Tron über eine eigene Blockchain. Seine Migration dorthin konnte Mitte Juli 2018 erfolgreich abgeschlossen werden. Die Idee hinter dem Tron-Projekt basiert auf zwei Standbeinen: In-Game-Käufe und die Veröffentlichung von eigenen Inhalten auf der Tron-Blockchain gegen Entgelt.
Gerade in Asien gilt der Markt für Computerspiele als äußerst gewinnbringend, so dass Tron hier eine Marktlücke für sich entdeckt hat. Belohnungen für das Erreichen von Spielzielen oder der Kauf von Ausstattungsgegenständen werden dementsprechend direkt aus dem Spiel heraus in Tronix bezahlt.
Das zweite Ziel Trons ist die Wiederherstellung eines dezentralen Internets, an dem jeder teilnehmen und seine eigenen Inhalte wie Bücher, Musik, usw. ohne Zensur einer zentralen Institution Veröffentlichen kann. Tron wird auch in der Lage sein, Smart Contracts und dezentrale Anwendungen auszuführen.
China – Eine strenge Mutter
Die chinesische Regierung ist für ihre protektionistische Haltung bekannt, welche eigene Produkte und Errungenschaften fördert und ausländische Konkurrenz streng reguliert. Alternativ wird sie direkt ganz verboten. Knallhart! Diese vermeintliche Unfairness kann sich jedoch als Trons großes Plus herausstellen, wenn sich die Tron-Verantwortlichen einer derart mächtigen Unterstützung gewiss sein können.
Tron hat das Potenzial zu einem Krypto-Schwergewicht aufzusteigen, da es elementare Probleme löst. Nach aktuellem Stand wird die Entwicklung von Tron laut seiner Roadmap im Jahre 2027 mit der Eternity-Phase abgeschlossen werden. Es bleibt abzuwarten, ob das sehr ambitionierte Projekt seinen hohen Erwartungen gerecht werden kann und seine Investoren tatsächlich finanziell zum Mond schickt.
Dieser Artikel ist auch in einer angepassten Version auf Chip.de und Focus.de erschienen.